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Bremerhaven, 4.6.98

Die Katastrophe des ICE bei Eschede hätte verhindert werden können

Was ich jetzt schreibe, mag zynisch klingen, aber das ist es nicht. Ich habe nur eine einfache Frage, die sich eigentlich jedem stellen müßte, der die Untersuchungsergebnisse des Unglücks näher betrachtet.

Das Unglück wurde (nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen) verursacht durch einen gebrochenen Radreifen. Ein Radreifen ist ein Stahlreifen, der auf dem Rad sitzt und das Rad in der Schienenführung hält. Als der Radreifen gebrochen war, hatte es deutlich hörbare Geräusche gegeben, so deutlich hörbar, daß (wie man im Fernsehen in einem Interview mit einem der Überlebenden erfuhr), die Passagiere Angst bekamen. Bereits zwei Minuten vor dem Unglück hatte es die Geräusche gegeben. Sie waren auch von Anwesenden an der Bahnstrecke sehr deutlich zu hören.

Die Geräusche verstummten und traten dann noch einmal auf, wesentlich stärker - so stark, daß der interviewte Überlebende sich instinktiv mit den Händen über dem Kopf irgendwo in Deckung bringen wollte. Warum, und das ist die entscheidende Frage zu diesem Unglück, warum hat niemand die Notbremse gezogen? Hatte niemand den Mut, sich in einer ihm gefährlich erscheinenden Situation hervorzuwagen aus der Menge und den Zug zu stoppen?

Nein, einfach ist diese Frage nicht. Vor allem stelle ich sie allgemeiner. Ich stelle sie ganz generell: Warum hat niemand den Mut, die Notbremse zu ziehen? Warum ist niemand bereit, sich hinzustellen und zuzugeben "Ich habe Angst. Und deswegen habe ich die Notbremse gezogen."? Ist in unserer Gesellschaft Angst so verpönt, ist es eine solche Schande, zuzugeben, daß man Angst hat, daß man sich deswegen lieber einer Gefahr aussetzt?

Und noch etwas: Hätte es nicht sein können, daß es einen Unfall gegeben hatte und vielleicht ein Motorrad oder ein PKW vom Zug mitgeschleift wurde - und daß dies die Geräusche verursacht?

 

Die Zugpassagiere haben die Sicherheit als selbstverständlich hingenommen. Aber das ist sie nicht. Man muß genau hören und sehen, hinhören und hinsehen - und man muß den Mut haben, etwas so unpopuläres zu tun, wie die Notbremse zu ziehen.

Wenn es eine Lektion aus der Katastrophe gibt, dann ist es diese.

Armes Deutschland

e-Mail: sfb@ariplex.com

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