Zweiklassenrecht durch Gutachterkauf
1.9.1999
Diesen Artikel darf ich mit Genehmigung des Autors hier wiedergeben:
Rechtsanwalt Dr. Hugo Lanz, München
aus Heft 9/1998 der Zeitschrift für Rechtspolitik
(ZRP 1998, Heft 9, pp 337 ff)
Forum
Zur mangelnden Neutralität vieler gerichtlicher Gutachter
I. Wes Brot ich eß, das Lied ich sing
Nicht ganz zu Unrecht wurde vor einigen Jahrzehnten vielfach die
Meinung vertreten [1], die Richter würden - vor allem aufgrund
ihrer Herkunft aus Ober- und Mittelschicht [2] - die Unterschichten in
ihrer Rechtsprechung benachteiligen. Heute sind solch pauschale
Behauptungen sicher nicht mehr gerechtfertigt. Im Gegenteil - es gibt
eine Fülle von Hinweisen, daß z.B. eine sehr
mieterfreundliche Rechtsprechung [3] dazu führt, daß Wohnraum
daß Wohnraum leer steht oder eine sehr arbeitnehmerfreundliche
Rechtsprechung [4] dazu führt, daß Arbeitsplätze im
Inland verlorengehen.
Ein Gebiet aber gibt es nach wie vor, in dem sich Angehörige
zweier Klassen vor Gericht gegenüberstehen: Diejenigen, die sich
Gutachter kaufen können und diejenigen, denen dazu die Mittel
fehlen. Die Landtagsfraktion der Bayerischen SPD hat sich dieses
Themas in einer schriftlichen Anfrage und einer Pressekonferenz [5]
angenommen; sie fordert u. a. eine Änderung der ZPO [6]. Die Misere
des normalen Bürgers, der im Prozeß auf einen
Sachverständigen trifft, hängt damit zusammen, daß er
höchst selten mit Sachverständigen zu tun hat, seine Gegner
(Industrie, Versicherungen, Berufsgenossenschaften etc.) aber
tagtäglich. Da diese Großen laufend mit Gutachtern zu tun
haben, lohnt es sich für sie, sich die Gutachter gefällig zu
machen. Zuweilen geschieht dies durch illegale Zuwendungen [7], meist
aber geht man ganz legal vor. Es gibt Geld für irgendwelche
Gutachten [8], für sogenannte klinische Studien, Finanzierung von
Tagungen, Einladungen zu gut bezahlten Vorträgen, zu Kongressen
und sonstigen Veranstaltungen, Zurverfügungstellung von
Arbeitsmaterialien, Spesenersatz, Zahlungen an Institutionen, die
indirekt dem Gutachter zugute kommen [9], usw.
Daß man hier nicht kleinlich ist, zeigen die Versuche einer
großen Krankenversicherung, den Westdeutschen Rundfunk zu
bestechen, wobei der Versicherungsagent erklärt, er habe durch
Geldzahlungen schon viele verdeckte Werbebeiträge seiner
Versicherung ins Fernsehprogramm geschleust [10] Das meiste liegt hier
leider im Dunkeln [11] und wird dort ohne Änderung der ZPO wohl
auch bleiben [12].
Richter wenden sich bei der Suche nach Gutachtern besonders gerne an
Universitäten. Dies ist im medizinischen Bereich oft nicht
sinnvoll; die meisten Prozesse z.B. im Krankenversicherungsrecht
betreffen niedergelassene Ärzte und für dieses Gebiet sind
Uniklinikchefs regelmäßig nicht fachkundig [13]. Weit
schlimmer aber ist der Vorwurf des Ärztekammerpräsidenten
von Berlin: "Die Universitäten werden besonders bestochen" [14].
Um diesem Bestechungssumpf zu entgehen, wäre es daher sinnvoll,
die Therapie von niedergelassenen Ärzten durch niedergelassene
Ärzte und die Therapie von Heilpraktikern durch Heilpraktiker
begutachten zu lassen. Und noch etwas spricht gegen die
Universitäten: Die sklavische Abhängigkeit des gesamten
Unterbaus vom Ordinarius macht letztlich jede unabhängige
Begutachtung unmöglich. Wer hier nicht kuscht, kommt nie voran
[15].
Manche Ordinarien aber sind letztlich Wirtschaftsbetriebe mit in der
Regel "Neben"einnahmen von über einer Million DM [16], [17].
Durch diese hohen Einnahmen aber werden diese potentiellen Gutachter
selbst zu Unternehmern, so daß die Gefahr besteht, daß sie
nicht nur ihren Auftraggebern in der Wirtschaft gefällig sein
müssen, sondern daß sie ihre Gutachten als Mittel zur
Einkommensförderung ihres Wissenschaftsunternehmens
instrumentalisieren [18]. Solche Ordinarien finden sich dann wieder an
der Spitze vieler Fachverbände; sie lassen sich ihr Plazet zur
Einführung neuer Therapien teuer bezahlen [19]. Führt nun
ein Arzt eine solche Therapie zum Wohle eines Kranken durch, ohne
daß die Spitzen der entsprechenden Fachverbände schon ihr
Geld für ihr Plazet erhalten haben, so werden praktisch alle
Gutachter aus jenen Fachverbänden diese Therapie ablehnen, da
ihnen sonst ja ihre lukrative Definitionsmacht für notwendige
Heilbehandlung etc. verlorengehen würde.
Nach einer wissenschaftlichen Studie von Detsky [20] hatten
- nach eigenen Angaben - 96% (sic!) der Befürworter einer
medizinischen Therapie Geld vom Hersteller erhalten, Mediziner; die
(noch) kein Geld vom Hersteller erhalten hatten, lehnten die Therapie
dagegen zu zwei Drittel ab. Solche Beispiele könnte man endlos
aneinanderreihen; die Literatur über befangene Gutachter ist
Legion [21].
II. Warum liest man in Urteilen gewöhnlich nichts über die
finanziellen Verbindungen der Sachverständigen?
Wenn 96% der Befürworter einer Therapie Geld vom Hersteller
erhalten haben, da müßte jedem Richter doch klar sein,
daß der Beweiswert eines Gutachtens entscheidend von den
finanziellen Verflechtungen des Sachverständigen abhängt.
Es gibt nun eine Menge Richter, denen dieser Sachverhalt durchaus
bewußt ist. So fordert z.B. Zopfs [22] die Richter auf,
sich die Finanzkraft der Versicherungswirtschaft klarzumachen, der die
Versicherungsnehmer nichts entgegenzusetzen haben. Das OLG
München23 wirft der Stiftung Warentest einseitige Auswahl ihrer
Gutachter vor. Das LG Wuppertal [24] erklärt, daß
bei Streit in der Fachwelt notfalls zwei Gutachter bestellt werden
müssen. Häufig aber ist Justitia blind gegenüber den
Verflechtungen ihrer Gutachter. So etwa erklärt das LSG
Essen [25], der Freund des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten sei
als Gutachter nicht befangen [26]. Ein Gutachter; der im Spiegel [27]
eine damals geplante und inzwischen durchgeführte
Gesetzesänderung bedauerte, weil dann gewisse Klagen nicht mehr
abgeschmettert werden könnten, wurde in einer ebensolchen Klage
als "unbefangener" Gutachter bestätigt [29].
Man muß davon ausgehen, daß viele Richter einfach
irgendeinen Gutachter beauftragen, ohne sich irgendwelche Gedanken zu
machen. Anders ist es z.B. kaum zu erklären, daß in einer
Zeit, in der man in allen Zeitungen über den Skandal Prof.
Hermann lesen konnte und dieser längst wegen
Fälschungen vom Dienst suspendiert war; ausgerechnet er als
gerichtlicher Gutachter bestellt wurde [29].
Südbayerische Sozialgerichte haben jahrelang einen Arzt mit
einer Vielzahl von Gutachten bedacht, obwohl über diesen
Gutachter schon groß in der Presse zu lesen war, daß er
wegen falscher. Gutachten rechtskräftig bestraft und vom Dienst
suspendiert wat Gerüchten, daß er seinen Professorentitel
zu Unrecht trug [30] und daß er seine Gutachtertätigkeit
dazu mißbrauchte, die Kassenärztliche Vereinigung zu
schädigen, gingen die Richter nicht nach [31]. Die gleichen
Gerichte beschäftigten gleichzeitig einen weiteren Mediziner; der
zu Unrecht einen Professorentitel führte [32]. Gerichte haben
auch mehrmals entschieden, daß bei Gutachtern, die laufend
für eine der Parteien Privatgutachten erstellen, keine Besorgnis
der Befangenheit besteht, solange sie auch ohne diese Einnahmen ihren
Lebensunterhalt bestreiten können [33]. In die gleiche Richtung
geht die Ansicht, die beratenden Ärzte der Berufsgenossenschaften
seien in deren Prozessen nicht befangen [34].
Daß sich Richter häufig keine Gedanken machen, wenn sie
einen Gutachter bestellen, sieht man auch daran, daß immer
wieder Gutachter bestellt werden, die von der
streitgegenständlichen Materie keine Ahnung haben. So
erklärte ein Gutachter; der die medizinische Notwendigkeit einer
Krebsbehandlung begutachten sollte: "Eigenverantwortliche Behandlungen
von Krebspatienten habe ich noch nicht durchgeführt" [35]. Oft
überlassen die Gerichte die Auswahl der Gutachter Institutionen,
die mit mächtigen Wirtschaftsinteressen eng verflochten sind,
z.B. den Ärztekammern. In der Zeitschrift "THERAPIEWOCHE" [36]
wird der Bundesärztekammerpräsident schon in der
Überschrift als Versicherungs-Vertreter bezeichnet. Wie will ein
Richter hier sicher gehen, daß ihm von dieser Stelle bei einem
Versicherungsprozeß ein neutraler Gutachter benannt wird? Auch
die übrigen Ärztekammern bekommen von Seiten der
Krankenversicherungswirtschaft Millionenbeträge; sie haben dies
zunächst vehement abgestritten [37], dann aber durchaus
eingeräumt [38].
Aber selbst wenn offen zu Tage liegt, daß die Ärztekammer
in einer konkreten Frage nicht neutral ist, scheuen Richter nicht
davor zurück; eben dort nach gerichtlichen Gutachtern
nachzufragen. In einem Schreiben vom Jüni 1993 kündigt die
Ärztekammer Nordrhein an, daß sie bemüht ist, gegen
einen Dr. H eine Gutachterseilschaft aufzubauen. Trotzdem sind
einzelne Richter nicht davor zurückgeschreckt, gerade bei dieser
Ärztekammer nach Gutachtern nachzufragen, wenn es um die
Erstattung der Therapie dieses Dr H ging [39].
Schließlich gibt es noch eine Methode, den Krankenversicherungen
die Auswahl des Sachverständigen zu überlassen. Man nimmt
keine Gutachter, deren Patienten Ärger mit einer
Krankenversicherung haben [40]. Da jeder Mediziner Patienten von einer
der großen privaten Krankenversicherungen hat, kann so die
Krankenversicherung jeden ihr unerwünschten Gutachter
ausschalten, indem sie die Rechnungen seiner Patienten nicht
reguliert.
Es gibt nicht wenige Richter; die jeglichen Versuch, Licht ins Dunkel
der finanziellen Verbindungen des Sachverständigen zu bringen,
nicht nur nicht fördern, sondern Fragen der Parteien, die in
diese Richtung zielen, nicht zulassen und auf diese Weise der
Korruption Vorschub leisten. Oft geschieht dies, um den Prozeß
rasch beenden zu können und sich nicht in schmutzige Niederungen
begeben zu müssen; gelegentlich aber auch, weil man selbst mit
derartigen Gutachtern verbunden ist.
III. Gesetzesänderungen der Vorschriften über den
Sachverständigenbeweis sind notwendig!
Die derzeitigen Vorschriften über den Sachverständigenbeweis
reichen zwar aus, einem engagierten und auf Neutralität
bedachten Richter einen fairen Prozeß zu ermöglichen:
Das Gericht kann umfassende Auskünfte über
Gutachterkandidaten einholen und dort, wo es unterschiedliche
Ansichten in der Fachwelt gibt, nach Paragraph 404 1 ZPO
mehrere Sachverständige be auftragen. Die Gerichte sind
verpflichtet, sich mit den Gutachten ausführlich zu befassen,
insbesondere auch die Feststellungen eines gerichtlichen Gutachtens
mit solchen aus außergerichtlichen Gutachten abzuwägen
[41].
Damit aber bei Beteiligung eines Sachverständigen
regelmäßig ein fairer Prozeß stattfindet, sind
Gesetzesänderungen erforderlich. Zum einen ist es notwendig,
daß der Gutachter vor Erstattung des Gutachtens dem Gericht und
den Parteien seine Fachkunde auf streitgegenständlichem
Gebiet darlegt. Alsdann hat der Sachverständige alle Gründe
und Beziehungen zu benennen, aus denen er ein Interesse an dem Ausgang
des Verfahrens haben könnte. Insbesondere muß er angeben,
für wen er bisher direkt oder indirekt gearbeitet hat und welche
Vorteile er oder die Institution oder Personen, denen er insoweit
verbunden ist, aus dieser Arbeit gezogen haben.
Bestehen Zweifel, ob ein wirklich neutraler Sachverständiger
zu finden ist, so soll das Gericht in der Regel mehrere
Sachverständige unterschiedlicher Auffassung benennen, um so
insgesamt eine ausgewogene Begutachtung zu erhalten. Wenn - de lege
ferenda - die Prozeßbeteiligten schon solche Mühe
verwenden, einen wirklich neutralen Gutachter zu finden, dann
muß auch sichergestellt sein, daß der Sachverständige
das Gutachten in allen wesentlichen Punkten eigenhändig erstellt;
eine Unterzeichnung wie "aufgrund eigener Urteilsbildung mit dem
Gutachten einverstanden" darf nicht mehr genügen [42].
Schließlich sollten die Prozeßordnungen klarstellen,
daß die Beeidigung des Sachverständigen auch seine Angaben
zu seinen persönlichen Verhältnissen (also z.B. über
seine Fachkunde und seine finanziellen Verflechtungen) umfaßt
[43].
Auch solche Gesetzesänderungen können kein völliges
Gleichgewicht im Prozeß zwischen Weltkonzernen auf der einen und
kleinen Leuten auf der anderen Seite herstellen. Sie können aber
die schlimmsten Auswüchse mildern und bei den
Prozeßbeteiligten ein Problembewußtsein schaffen über
die Schwierigkeit, einen neutralen [44] Sachverständigen zu
finden [45].
- - -
- 1) Vgl. z.B. Rasehorn, Recht und Klassen - zur Klassenjustiz in
der Bundesrepublik, 1974
- 2) Vgl. z.B. Kaupen, Die Hüter von Recht und Ordnung, Die
soziale Herkunft, Erziehung und Ausbildung der deutschen Juristen,
1974.
- 3) Vgl. z.B. BVerfG, NJW 1993,2035.
- 4) So trifft selbst solche Selbständige, die am
Existenzminimum dahinvegetieren, meist die volle Härte der
arbeitnehmerfreundlichen Rechtslage (die sehr häufig auf
Richterrecht beruht), während Arbeitnehmer; die mehr verdienen
als der Bundeskanzler; arbeitsrechtlkh umfassend abgesichert sind;
vgl. hierzu Rüthers, NJW 1998, 283.
- 5) Am 13.10.1997 im Münchner Maximilianeum.
- 6) Auch andere Parteien haben sich bereits dieses Themas
angenommen; erinnert sei hier nur an die Anhörung der Grünen
am 22.1.1996 im Dt. BT zum Thema Gutachter(un)wesen. Auch ein Mitglied
des Gesundheitspolitischen Ausschusses der CSU hat mir vor kurzem
interessantes Material über mangelnde Neutralität
medizinischer Gutachter übergeben.
- 7) Ein Heilpraktikerfunktionär erklärte mir vertraulich,
ihm sei von einer Krankenversicherung eine laufende Zahlung angeboten
worden.
- 8) Meyer, Stern 1993 (H. 51), 91 erklärt, daß die
Versicherungen schwarze Listen führen und Gutachtern, die zu
Ungunsten der Versicherung begutachtet haben, keine Aufträge mehr
erteilen.
- 9) Bei ärztlichen Gutachtern haben insbesondere die
Krankenversicherungen ein gutes Mittel, versicherungsfreundliche
Gutachter geneigt zu halten: Man erstattet ohne jede Prüfung
sämtliche Arztrechnungen, die sie ihren Patienten ausstellen.
- 10) Balodis/Möller, Glaubwürdigkeit; zu diesem
Vorgang existiert eine gutachterliche Stellungnahme von Taupitz
vom 5.6.1997.
- 11) Nach der Zeitschrift DZW-Zahn-Technik 1997 (H. 7), 5. 7 hat
Ministerialrat Dr. Gassner vom Bay. Sozialministerium die
Krankenkassen als eine mafiöse Vereinigung bezeichnet. Wie Der
Kassenarzt 1998, 10 (28 ff.) berichtet, ist es dem finanzstarken
Bundesverband der pharmazeutischen Industrie mit Hilfe mehrerer
Detektive gelungen, geheime Zahlungen einer Krankenkasse an einen
Sachverständigen aufzudecken. Dem gewöhnlichen
Staatsbürger fehlen aber die Mittel, um die finanziellen
Verhältnisse eines Sachverständigen von Detektiven
ausforschen zu lassen.
- 12) Wie in der Vorlage zur Pressekonferenz der SPD-Fraktion im
Bayerischen Landtag vom 13.10.1997 zu lesen, hat das SG
München am 29.7.1997 erklärt, "es bestehe keine Pflicht
des vom Gericht ausgewählten Gutachters, Fragen der Klägerin
hinsichtlich seiner Kompetenz zu beantworten". So kann alles
schön im Dunkeln bleiben.
- 13) Nach Ordinarius Buchborn, MedR 1993, 329 sind
Therapiestandards, die aus klinischen Studien abgeleitet sind,
für die primärärztliche Praxis des niedergelassenen
Arztes weithin irrelevant.
- 14) Der Spiegel 1997 (H. 4), 68 l.Sp. 1. Abs.
- 15) Wie dieser Sachverhalt mit der grundgesetzlich garantierten
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG) zu vereinbaren ist, wäre
eine interessante Frage im Assessorexamen!
- 16) Also zusätzlich zum Beamtengehalt; vgl. z.B. NJW 1997
(H. 15), XL; Baur, SZ v. 23.5.1997 "Chefärzte machen
Kasse". Vgl. hierzu den Beschluß der StA Heidelberg v. 2.
4.1998-25 Js 9041/93. Der dortige Ordinarius machte ca. 9 Gutachten
pro Woche und leitete dazu noch eine auswärtige Klinikabteilung.
- 17) Rier soll nicht die Zusammenarbeit von Wirtschaft und
Universität kritisiert werden; diese ist dringend notwendig. Aber
ein Wissenschaftler, der eng mit der Wirtschaft zusammenarbeitet und
von dort her Geld bezieht, ist eben alles andere als ein neutraler
Sachverständiger.
- 18) So findet sich in vielen Gutachten von Ordinarien immer
wieder die rechtlich völlig unzutreffende Behauptung, bestimmte
Therapien sollten den Uni-Kliniken vorbehalten bleiben. Dies obwohl
viele dieser Therapien ambulant viel preisgünstiger
durchgeführt werden können und Unikliniken
naturgemäß Zentren zur Verbreitung gefährlicher
Krankheitskeime sind ("Hospitalismus" )
- 19) In der Regel über klinische Studien und Gutachten.
- 20) Vgl. dazu SZ v. 12.3.1988, S.24.
- 21)
- Bultmann et al, Käufliche Wissenschaft, 1994;
- Zittlau, Eine Elite macht Kasse, 1994;
- Hilgers et al, Der Patient und sein Recht, 1994, Seite 171
ff;
- Hellmer SZ v. 16.8.1980;
- Schlund, Ärztezeitung Nr. 64v. 8.4.1997;
- Zeller Kreis Mitgliedszeitschrift Dezember 1996, mit namentlicher
Nennung diverser versicherungsfreundlicher Gutachter;
- Krill, SZ v. 15.11.1995 "Im Dienst der Auftraggeber";
- Jurtschitsch, Arbeitsmedizin in Sachen Professor Gerhard
Lehnert;
- IMMUN aktuell 1998/I.
- 22) Zopfs (Richter am Versicherungssenat des BGH), VersR
1993, 141.
- 23) Beschl. v. 15.12.1995 - 21 U 7125/93; es ging um die Auswahl
der Gutachter für das Buch "Die andere Medizin". Die Stiftung
Warentest wurde in 1. Instanz verurteilt und verpflichtete sich vor
dem OLG, 60000 DM Schadensersatz zu zahlen.
- 24) Beschl. v. 9.10.1996 - 6 T 741/96.
- 25) Beschl. v. 23.12.1996 - L 5 Kr 19/96: Der Gutachter
räumte gemeinsame Abendessen mit Ehefrauen, Konzert- und
Theaterbesuche sowie ärztliche Behandlung von Angehörigen
des Vorstandsvorsitzenden ein (Schriftsatz des Gutachters vom
28.10.1996). Durch solche Entscheidungen wird jeder Prozeß zur
Farce.
- 26) In zwei fast identischen Prozessen hat jedoch das LG
Mönchengladbach eben diesen Gutachter als befangen
erklärt (Beschl. v. 25.9.1997 - 5 T 468/97 und vom 7.7.1997 - S T
415/97). Man fragt sich hier unwillkürlich, ob es nicht ein
Bärendienst war, den Sozialversicherten den Zugang zur
ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verbauen.
- 27) Der Spiegel 1997 (H. 21), 32.
- 28) LSG Stuttgart, Beschl v. 12.12.1997 - L 4 Kr 3927/97 B.
Dabei ist doch offensichtlich, daß bei einem Gutachter, der
öffentlich in Millionenauflage erklärt, solche Klagen
gehörten abgeschmettert, zumindest die Besorgnis der Befangenheit
besteht. Das LG Bamberg (Beschl. v. 16.4.1998 - 1 T 7/98) hat einen
Gutachter, der sich in der gleichen Spiegelausgabe vehement gegen eine
Gesetzesänderung zugunsten alternativer Medizin
ausgesprochen hatte, für befangen erklärt, weil er heimlich
einen Kollegen aufforderte, den Arzt, dessen naturheilkundliche
Therapie er begutachten sollte, bei der Ärztekammer anzuzeigen.
Abschließend heißt es: "Bei dieser Sachlage kommt es auf
die weitere Frage, inwieweit der Artikel im Spiegel (H. 21/1997) eine
Besorgnis der Befangenheit begründe, nicht mehr an".
- 29) LG München I, Beweisbeschl. v. 23.7.1997 - 15 S
23501/96.
- 30) Er wurde inzwischen auch insoweit verurteilt.
- 31) Siehe SZ v. 11.10.1997: "Falsche Professoren treten als
Gutachter auf"; dort wird ein Sozialgerichtspräsident wie folgt
zitiert: "Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ... seien... kein
Anlaß, Konsequenzen zu ziehen". Diese Ansicht ist
skandalös. Jeder Richter muß für einen fairen
Prozeß sorgen. Bevor also ein Gutachten verwertet wird,
muß definitiv geklärt sein, ob Vorstrafen (hier 1 1/2 Jahre
Freiheitsstrafe wegen falscher Gutachten) oder staatsanwaltliche
Ermittlungen (hier wegen unberechtigten Führens eines
Professorentitels und Betrug gegenüber der Kassenärztlichen
Vereinigung bei der Gutachtenerstellung) den Beweiswert des Gutachtens
schmälern oder aufheben. Schließlich ist es u. U. als
Meineid strafbar, wenn sich der gerichtliche Gutachter zu Unrecht als
Professor bezeichnet - und das ist schließlich kein
Kavaliersdelikt.
- 32) Vgl. Münchener Merkur v. 15.9.1997.
- 33) Diese Meinung hätte zur Folge, daß bei
OLG-Präsident Henrichs auch bei Klagen der IG Metall keine
Besorgnis der Befangenheit bestünde, da er ja auch ohne die
Million von IG Metall gut von seinen Beamtenbezügen leben kann.
- 34) So OLG München, Beschl. v. 3.12.1997 - 1 W 3118/97.
- 35) LG München I Prot. v. 6.5.1997 - 25 O 23 063/95.
- 36) Schmid-Keine, Therapiewoche 1995 (H. 31), 1803,
berichtet dort, daß der Präsident der
Bundesärztekammer ein Versicherungsagent der Colonia-Versicherung
ist.
- 37) So heißt es im BayÄrzteBl 1993,381: "Den Verdacht,
die Bayerische Landesärztekammer könnte finanzielle Vorteile
aus dem Gruppenversicherungsvertrag ziehen, wies der Präsident
energisch zurück: 'Die Bay. Landesärztekammer erhielt nie
und erhält auch heute nicht Zahlungen von der Vereinten'".
- 38) Schon wenige Tage später erklärt die Schweizer
Rück, die damalige Mutter der Vereinten, in einem Schreiben vom
30.11.1993: "Soweit die Vereinte Krankenversicherung Zahlungen den
Ärztekammern leistet, geschicht dies in Erfüllung
getroffener Vereinbarungen". Warum wohl wollte die Bay.
Landesärztekammer diese Zahlungen leugnen? Den Arzt, der sich
besonders bemüht hat, diese finanziellen Verflechtungen zu
erhellen, will die betroffene Krankenversicherung nun von der
Behandlung ihrer Versicherungsnehmer ausschließen und
stützt sich dabei auf ein Gutachten der Bayerischen
Landesärztekammer, der eben diese Zahlungen zugute gekommen sind!
- 39) Die Arztekammer Nordrhein schreibt dort: "Die Ärztekammer
Nordrhein ist bemüht, Gutachter zu finden, die die neue Krankheit
"Chronisches Müdigkeitssyndrom" wissenschaftlich entkräften
und die äußerst teuren Diagnose- und Behandlungsmethoden
widerlegen können. Dieses Unterfangen hat sich als
äußerst problematisch herausgestellt. Wir möchten
Ihnen jedoch versichern, daß wir zusammen mit anderen
zuständigen Behörden und Gesellschaften versuchen werden,
dieses "Problem" in den Griff zu bekommen." Die geheime Aufstellung
von Gutachterseilschaften, die vorgefertigte
Gefälligkeitsgutachten erstellen, ist nicht die Art, wie sich
öffentlichrechtliche Institutionen im Geltungsbereich des Art. 5
III GG in Fragen der Wissenschaft verhalten sollten. Wie man es
richtig macht, zeigt der damalige Düsseldorfer
Gesundheitsminister Müntefering. Nach einem mir in Kopie
vorliegenden Ministeriumsprotokoll lud Müntefering den
Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen, den
Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein und Dr.
H zu sich. Gemeinsam einigte man sich auf drei Gutachter; deren
Gutachten kamen zu ganz anderen Schlüssen als die der
Ärztekammer Nordrhein.
- 40) So LG Hamburg, Verf. des Vorsitzenden v. 26.3. und
22.5.1996 - 332 0 383/95.
- 41) Vgl. BVerfG, NJW 1997, 122; BGH, NJW 1993, 2382.
- 42) Da ja die Fachkunde und Neutralität einer konkreten
Person festgestellt wird, ist es auch unumgänglich, daß
diese das Gutachten fertigt. Das Gutachten kann in sich stimmig
sein, aber doch nicht der Sachlage entsprechen. Deshalb ist es
unbedingt notwendig, daß das Gutachten vom Gutachter von Anfang
an eigenhändig erstellt wird.
- 43) So schon RGSt 6, 267; Wieczurek, ZPO, 2. Aufl.
(1976), Rdnr. A IIa zu Paragraph 410; a.A. RGSt 12, 128;
20,235.
- 44) BGH, NJW 1979, 1250, fordert im
Krankenversicherungsprozeß einen neutralen medizinischen
Sachverständigen, ohne aufzuzeigen, woher man diesen nehmen soll.
Manche Richter sehen in dieser Entscheidung einen Freibrief, den
behandelnden Arzt als Zeugen auszuschließen. Da der Tatrichter
aber nach BGH, NJW 1993, 2382, Einwendungen einer Partei gegen
ärztliche Gutachten ernst zu nehmen hat und sich nicht ohne
einleuchtende Begründung dem gerichtlichen Gutachter
anschließen darf, muß der Arzt in der Regel als Zeuge
gehört werden. Denn nur wenn der Richter beide Meinungen
hört, kann er die gebotene Auseinandersetzung durchführen.
- 45) Paragraph 48 VVG gibt dem Versicherungsnehmer häufig die
Möglichkeit, die Versicherung nicht an ihrem Sitz zu verklagen.
Dies erweist sich oft als vorteilhaft, weil zuweilen am Sitz
großer Unternehmen eine besonders enge soziale Verbindung
zwischen Unternehmensleitung und potentiellen Sachverständigen
herrschen wird. Vielfach ist die Creme einer Stadt eng verbunden, z.B.
aber nicht nur in Wohltätigkeitsvereinen; zu den Freimaurern vgl.
NJW 1998 (H. 12), XLVII.
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