4.11.2002
2.5.2001
Den folgenden Artikel darf ich mit freundlicher Genehmigung der Autorin, Heike
Stüben, hier veröffentlichen.
Der Artikel erschien in den "Kieler Nachrichten"
(http://www.kn-online.de/htm/nav_home/frame_home_nojava.htm)
vom .........
(Hervorhebungen von mir)
Kiel
Angeblich sind sie reinste Wundermittel, sorgen für besseres Aussehen und für ein erhöhtes Empfinden beim Sex, bekämpfen Übergewicht, mindern Bluthochdruck sowie das Herzinfarktrisiko und vieles mehr. Für Mittel aus der tropischen Noni-Frucht wird auch in Schleswig-Holstein massiv mit obskuren Briefsendungen geworben. Das Umweltministerium rät vom Kauf sämtlicher Noni-Produkte ab: Denn der Verkauf in Deutschland ist illegal.
Das jedoch ahnten die Schleswig-Holsteiner nicht, die über Internet oder per Telefon Noni-Saft oder -Kapseln bestellten. Wie jene Preetzerin, die scheinbar von einer Bekannten einen Brief aus Süddeutschland bekommen hatte. Darin eine herausgerissene Zeitungsseite mit einem kleinen Zettel, auf den offenbar eine Frau mit Kugelschreiber geschrieben hatte: "Liebe H..., meine Beschwerden sind alle weg. Das ist auch was für dich, Gruß" und eine unleserliche Unterschrift.
Eine aufwändige, aber offenbar erfolgreiche Werbestrategie. Die Preetzerin glaubte, eine der vielen Klassenkameraden in Süddeutschland habe ihr den Brief geschickt, und bestellte Noni-Kapseln. Die Lieferung kam wie in anderen Fällen umgehend, und zwar aus der Schweiz: 240 Kapseln für 182,95 DM.
Von der versprochenen positiven Wirkung war jedoch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Preetzerin bekam nach regelmäßigem Gebrauch plötzlich Bluthochdruck, Schwindelgefühle, Kopf-, Magen- und Herzschmerzen.
Die Produkte enthalten laut Verpackung reines NONI-Extrakt, das aus der Pflanze Morinda citrifolia gewonnen wird. In tropischen Regionen wird diese Maulbeerart traditionell als Heilmittel verwendet. Auch auf dem deutschen Markt versprechen Hersteller in ihrer Werbung Heilwirkungen. Allein diese Werbung ist nach den strengen deutschen Bestimmungen für Lebensmittel verboten.
In der EU werden Produkte aus der NONI-Frucht als neuartige Lebensmittel (Novel-Food) eingestuft. Solche Lebensmittel dürfen nur dann in der EU verkauft werden, wenn sie von einer europäischen Behörde eine Zulassung bekommen.
Doch eine solche Zulassung wurde bisher nach Erkenntnissen des Umweltministeriums in Kiel bisher nur für einen Saft ("Tahitian Noni Juice") bei der Europäischen Kommission beantragt. Weil die Unbedenklichkeit noch nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte, läuft das Verfahren noch. Auch für die Experten des Bundesinstituts fuer gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in Berlin ist es noch nicht geklärt, ob toxikologische Substanzen nicht oder nur in unbedenklichen Mengen enthalten sind.
Solange es keine Zulassung gibt, darf auch der Saft wie alle anderen NONI-Produkte in der EU nicht in Verkehr gebracht werden. In mehreren anderen Bundesländern verfolgen die Behoerden bereits das illegale Geschäft mit der angeblichen "heilenden Frucht des Lebens".
Vor wenigen Wochen hat das Bundesfinanzministerium die Zollbehörden aufgefordert, Postsendungen mit NONI-Erzeugnisen zu beschlagnahmen und die zuständigen Lebensmittelbehörden einzuschalten.
Heike Stüben
Der Werbebrief
Mir liegt ein solches Werbeschreiben vor. Es ist ein "Lang-DIN-Umschlag" mit Maschinen-geschriebener oder gedruckter Empfänger-Adresse. Die Absender-Adresse fehlt.
Inhalt ist eine Zeitungsseite, im üblichen Zeitungsformat : "Abendpost- Ausgabe Süd", datiert auf den 30.1.2001, Seiten 19 und 20.
Auf "Seite 19", deren Nummer außen sichtbar ist, eine ganzseitige 4-Farb-Werbung für Noni, marktschreierisch und durch und durch verlogen:
Auf der Zeitungsseite ist ein kleiner "Post-it"-Zettel :
----------------------------------------------------------------- "Liebe (Vorname der Empfängerin)..., meine Beschwerden sind alle Weg! Das ist auch was für Dich, Gruß (unleserlich)" -----------------------------------------------------------------
Analyse
Frankiert ist der Brief mit 47 Pfennig, was ihn schon von daher als reine Massensendung ausweist.
Weitaus interessanter sind 2 andere Details : Das Zeitungsblatt selbst und dann seine Rückseite. Das Blatt kann so nicht in einer echten Zeitung gewesen sein. Wenn man ein normales gefaltetes Blatt Zeitungspapier zerreißt, reißt es immer in langen Rissen. Das vorliegende Blatt ist aber zackig gerissen, wie ein Blatt aus einem geklebten Block. Es wird also ein Ausriß vorgetäuscht.
Nachdem klar ist, daß es sich um keine echte Zeitungsseite handeln kann, beschäftigen wir uns mit der Rückseite. Hier finden sich keine Tages- oder sonstige Meldungen, sondern eine Reklame, ebenfalls ganzseitig : Werbung für Mazola Speiseöl.
Eine Nachfrage beim Hersteller des Öls, der Firma Bestfood GmbH (http://www.bestfood.de) ergibt :
Die Werbung für Mazola ist gefälscht. Es wurde eine existierende Werbung eingescannt, aber wegen der Mängel im Scan retuschiert, wobei beim Text Fehler gemacht wurden. Diese gefälschte Reklameseite wurde nicht nur bei Noni, sondern auch bei anderen Produkten als Rückseite verwendet. Auflage laut Kriminalpolizei Gifhorn: rund 1/2 Million Stück! Bestfoods hat bereits im Februar 2001 eine Unterlassungserklärung gegen die Betrüger durchgesetzt.
Kaffee
Die Werbemethode mit den "ausgerissenen" Zeitungsseiten und handschriftlichen Aufklebern ist auch von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt e.V. beschrieben, deren Meldungen ich hier freundlicherweise wiedergeben darf :
------------------------------------------------------------------------------- Verbraucherzentrale warnt vor Werbemasche bei Schlankheitsmitteln (VZSA/ 2.11.2000) Zahlreichen Verbrauchern flatterten in den letzten Wochen ungewollte Werbebriefe in's Haus. Nun klingeln auch bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt die Telefone heiß. Der zugeschickte Brief enthält eine Werbeseite aus der "Abendpost- Ausgabe Süd". Auf dieser Seite wird massiv für das Schlankheitsmittel "Coffee-Slim" geworben. Slogans wie "Schlank-Sensation: 14 Kilo im Sitzen weg" oder "Abnehmen im Büro- mit Kaffee" sollen Abnehmwillige zum Kauf der 148,- DM teuren 3-Monatspackung bewegen. Besonders dreist: Auf der Zeitungsseite befindet sich ein handgeschriebener Vermerk mit persönlicher Anrede und dem Satz z.B. "Hallo Simone! Es wirkt, probier es selbst!". Die Zeitungsseite erweckt den Eindruck, als sei sie hastig herausgerissen worden. Der Briefumschlag ist mit Schreibmaschine beschriftet. Die ganze Aufmachung suggeriert, es handele sich um den Brief eines Freundes oder Bekannten. Recherchen haben ergeben, dass eine "Abendpost- Ausgabe Süd" gar nicht zu existieren scheint. Es ist zu vermuten, dass es sich bei dieser Aktion um fingierte Zeitungswerbungen handelt, die von Hilfskräften nach Adressenlisten mit den persönlichen Vermerken beschriftet wurden. Die als sehr persönliche Mitteilung getarnte Werbemasche für den "Schlank-Kaffee" ist nach Auffassung der Verbraucherzentrale irreführend und wettbewerbswidrig ! Die VZ warnt ausdrücklich davor, das Schlankheitsmittel zu bestellen. Im besten Fall handelt es sich bei Wunderpillen und Fettvernichtern dieser Art "nur" um teure und wirkungslose Produkte. Weitere Informationen erhalten Verbraucher/innen am Verbrauchertelefon unter der Telefonnummer 0190/ 775 775 für 2,42 DM/Min. Eine Checkliste zum Beurteilen irreführender Schlankheitswerbung enthält das Faltblatt "Betrug bei Diätprodukten". Es kann in allen Beratungsstellen für DM 1,- abgeholt werden. Für DM 4,- in Briefmarken ist es bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt, Steinbockgasse 1, 06108 Halle zu bestellen. -------------------------------------------------------------------------------
Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt e.V. betreibt eine eigene Web-Site und ist erreichbar unter:
Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt e.V. Steinbockgasse 1 D-06108 Halle vzsa@vzsa.net http://www.vzsa.net
Zu den Betrugen mit Noni heißt es bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt:
------------------------------------------------------------------------------- Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt warnt vor dreister Werbekampagne Noni- Produkte sind in Europa verboten (VZSA / 08.03.2001) Eine unbekannte Firma belästigt seit mehreren Wochen Verbraucher durch ungewollte Werbebriefe. Die in persönlich adressierten Briefen verteilte Werbung täuscht eine herausgerissenen Zeitungsanzeige vor, die von einer Freundin oder einem Bekannten geschickt wurde. Auf dieser Seite wird massiv für das angebliche Wundermittel "Noni- die heilende Frucht aus der Südsee" geworben. Besonders dreist: Auf der Seite befindet sich ein handgeschriebener Vermerk mit persönlicher Anrede und z.B. dem Satz "Lieber Lothar, meine Beschwerden sind alle weg. Das ist auch was für Dich!" Die Noni- Kapseln sollen angeblich gegen viele Krankheiten wie etwa Krebs oder Diabetis helfen und gesundheitsbewusste Verbraucher zum Kauf der 168, - DM teuren Viermonatsverpackung bewegen. Noni-Produkte (aus der Pflanze Morinda citrifolia hergestellt) gelten als "neuartige Lebensmittel" und bedürfen daher einer Zulassung. Sie können toxikologisch bedeutsame Substanzen enthalten, bei denen nicht eindeutig geklärt ist, welche Auswirkungen sie auf den menschlichen Organismus haben. Eine Zulassung wurde bisher nicht erteilt, weil die eingereichten Unterlagen zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit dieser Stoffe nicht ausreichten. In tropischen Regionen, wo die Noni-Frucht heimisch ist, werden die Früchte und Extrakte aus anderen Bestandteilen der Pflanze traditionell als Heilmittel verwendet. Da auch in Deutschland mit krankheitsbezogenen Aussagen für Noni- Produkte geworben wird, müßte grundsätzlich zunächst geklärt werden, ob es sich bei derartigen Produkten überhaupt um ein Lebensmittel oder vielmehr um ein Arzneimittel handelt, das dann sogar der Arzneimittelzulassung unterliegen würde. Personen, die die Produkte trotz Verkaufsverbots illegal weitervertreiben, machen sich strafbar und sollten daher der amtlichen Lebensmittelüberwachung oder der VZSA gemeldet werden. Am Ratgebertelefon unter der Nummer 0190-775775 (2,42 DM/Min.) erhalten Verbraucher weitere Informationen. -------------------------------------------------------------------------------
Berry Trim Plus
Viola Schenz schrieb in der "Süddeutschen Zeitung" vom
04.01.2001 (Panorama) über einen weiteren Betrugsfall:
(Hervorhebungen von mir)
------------------------------------------------------------------------------- _...hat sich ein amerikanischer Schlankheitsmittelproduzent einen neuen Dreh einfallen lassen: Seine Werbepost, die in letzter Zeit in deutschen Briefkästen gelangt, ist von außen als solche überhaupt nicht erkennbar: Die Adresse steht mit einer mechanischen Schreibmaschine getippt auf dem Kuvert, oben rechts klebt brav eine in einem Briefzentrum abgestempelte 1,10-Mark-Briefmarke. Der Inhalt: eine herausgerissene, gefaltete Zeitungsseite, auf die mit Kuli gekritzelt zum Beispiel steht: "Hallo Barbara. Es wirkt - probier es selbst!" Gemeint ist eine Diät-Pille namens Berry Trim Plus, die für 99 Mark "das Fett in Ihrem Körper sofort in Energie" verwandelt. Das verspricht die Zeitungsseite anhand Dutzender Fallbeispiele, "wissenschaftlicher Untersuchungen", Lobpreisungen amerikanischer Ärzte und seliger Berry-Trim-Plus-Anwender und Vorher-Nachher-Fotos. [...] Es gibt auch keine Spur von den zitierten amerikanischen Ärzten, geschweige denn von den Instituten oder Hochschulen, an denen sie angeblich forschen. Die Verbraucher-Zentrale Hessen hat Anzeige erstattet gegen den Hersteller, Health Laboratories of North America (HLNA) mit Sitz in Katonah (Bundesstaat New York). [...] In den USA, wo die perfide Werbetour schon länger läuft, bringt sie laut Aussage eines anonymen HLNA-Mitarbeiters "täglich Tausende von Aufträgen" leichtgläubiger Adressaten. -------------------------------------------------------------------------------
Die Zeitung "Tagesanzeiger" gibt es natürlich nicht. Als Druckort der Zeitungsblätter vermutet ein Redakteur des "Siegener Anzeigers" nach seinen Recherchen eine Druckerei im Raum Siegen. Wert des Auftrags: mehreren 100.000 DM.
Die Zettelchen schrieben den gleichen Recherchen zufolge Studenten und Hausfrauen in Heimarbeit; die Privatanschriften stammten aus einer der unzähligen kursierenden Adressendateien.
Weitere Diebstähle
Der Druck einer halben Million Blatt alleine für die erste Aussendung im Fall Gifhorn beweist, daß es sich um Betruge in Millionenhöhe handelt. Alleine das Porto für eine Aussendung beträgt rund 1/4 Mio DM! Strafen für Unterlassungserklärungen zahlen solche Ganoven aus der Portokasse. Werden sie in einem Fall erwischt, wechseln sie das Objekt - und weiter geht's!
Im Fall von Noni war das nächste Opfer die Parfümerie Douglas, deren Werbung für weitere Rückseiten der "herausgerissenen" Zeitungsseiten mißbraucht wurde. Auch die RWE AG in Essen zählt zu den Opfern...
Telefon-Versand
In der "herausgerissenen" Zeitungsseite ist angegeben eine
Telefon-Hotline für die ORIGINAL TAHITI-NONI-KAPSELN: 0180 / 5 999 737
Man sollte erwarten dürfen, daß heute (2.5.2001) nach der Unterlassungserklärung von Anfang Februar 2001 diese Firma inzwischen von der Polizei ausgehoben wäre. Weit gefehlt! Es meldet sich ein "Bestell-Service". Die "Gesundheits-Kapseln" (die Noni-Kapseln, deren Verkauf verboten ist! Der deutsche Zoll beschlagnahmt die Warensendungen!), heißt es, seien "nicht mehr im Lager". "In 1-2 Wochen" könne ich aber wieder nachfragen...
Auf meine Frage nach anderen Produkten wird mir angeboten: "OPC", eine "4- Monats Vollkurs"-Packung (was immer das sein mag...) zum Preis rund 168 DM. Die Beschreibung ist wie üblich blumig, abenteuerlich - und überhaupt, es dient ja der Gesundheit...
Bestellen kann man auch, geliefert wird "in 6-10 Werktagen per Nachnahme". In Deutschland ist die Firma nicht. Die Telefonnummer ist lediglich eine Telefonschaltung. Postanschrift des Versenders ist:
OPC-Vertrieb PF 13 /Postamt Güterbahnhof A-6961 Wolfurt Österreich
Die sei für das "OPC". Antwort auf die Frage nach der Adresse des Lieferanten für die Noni-Kapseln:
Vitalversand PF 13 /Postamt Güterbahnhof A-6961 Wolfurt ÖsterreichWelch seltsame Fügung...
Nutznießer des Betrugs ist ganz eindeutig der Versender. Wer sollte sonst mehrere Hunderttausend Mark alleine für Porto ausgeben, wenn nicht der Nutznießer dieser Aktionen?
Nachdem aber schon im Februar die Erklärung zur Unterlassung des Mißbrauchs der Mazola-Werbung unterschrieben wurde, sollte man erwarten dürfen, daß den Verantwortlichen der Laden von der Polizei geschlossen worden wäre. Doch, wie man sieht...
Es macht wenig Sinn, über diese Dinge zu grübeln und zu lamentieren, wenn nicht die Justiz solche Betrüger endgültig "aus dem Verkehr zieht". Dafür zu sorgen ist Aufgabe der Politik!
Aribert Deckers
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Aribert Deckers